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Bunte Blumenwiesen am Waschberg

 

So kann Natura 2000 funktionieren: Seit 2019 hilft die Gemeinde Leitzersdorf aktiv mit, die Verbuschung der Halbtrockenrasen im Europaschutzgebiet „Weinviertler Klippenzone“ zu stoppen und damit Biodiversität aktiv zu erhalten. Die ausgedehnten Halbtrockenrasen sind in eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft mit naturnahen Wäldern, Brachen und Hecken eingebettet. 

Text: Julia Kelemen-Finan

 

Es ist der 27. Juni 2022, 15.00 Uhr: Das Thermometer zeigt über 30 °C an, und am Waschberg tummeln sich seit den frühen Morgenstunden unzählige Menschen – Bürgermeisterin Sabine Hopf mit einem freiwilligen Pflegetrupp aus Leitzersdorf, Dienstleister Thomas Holzer mit seinem Metrac (Bergmäher) und seinem Team, zwei Landwirte aus der Region, die das Mähgut mit ihrem Ladewagen abtransportieren und ein Team des ORF, um das bunte Treiben für „Land und Leute“ festzuhalten. Es ist wieder Mäh-Tag!  

Pflegeplanung und Erfolgs­kontrolle dienen als wissenschaftliche Basis.

Mit System. Streng durchgeplant ist die hektische Betriebsamkeit: Im Pflegeplan wurden auf  dem insgesamt etwa 20 ha großen Gemeindegrundstück 30 Pflegeflächen ausgewiesen. Für jede Fläche liegt eine detaillierte Beschreibung vor, inklusive Bestand, Entwicklungszielen sowie bereits durchgeführten und geplanten Maßnahmen. Darüber hinaus wurden allgemeine Leitlinien definiert, wie z. B. für die Frage, welche Maschinen wo und wann eingesetzt werden können und dürfen. Die Maßnahmen und Leitlinien kontrolliert man regelmäßig und fachkundig bei sogenannten „Experten-Stammtischen“ sowie bei Felderhebungen. Dabei werden verschiedene Aspekte der Vegetation, aber auch das Vorkommen von Heuschrecken, Tag- und Nachtfaltern, Schnecken, Wildbienen und Reptilien dokumentiert (kartiert).  

Geschützte Halbtrockenrasen. Vordringlichstes Ziel ist es, die ursprünglichen Mähwiesen am Waschberg wiederherzustellen und ihre reichhaltige Flora und Fauna zu erhalten. Sie gehören zum Lebensraumtyp der Halbtrockenrasen, die in den europäischen Naturschutzrichtlinien als Schutzgut angeführt sind. Die traditionelle Pflege endete bereits in den 1960er Jahren, Luftbildanalysen zeigen das Ausmaß der Verbuschung seither. Seit 2019 werden Teilflächen sukzessive entbuscht. Durch zeitlich und räumlich versetzte Pflege sind immer ausreichend Blüten und Struktur vorhanden, um den unterschiedlichen Ansprüchen der Tier- und Pflanzenarten – und den Augen der Betrachtenden – gerecht zu werden. 

 
Collage: Mäharbeiten auf einer Wiese; Sommer-Brandknabenkraut; Leitzersdorf am Fuß des Waschberges; Esparsette

Freiwillige beim Abtransport des Mähguts; Sommer-Brandknabenkraut; Im Hintergrund liegt Leitzersdorf am Fuß des Waschberges; Esparsette © Julia Kelemen-Finan

 

Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. 

Erkenntnisse und erste Erfolge. Ein besonderer Schatz sind die jahrzehntelangen Untersuchungen zu verschiedenen Organismengruppen am Waschberg von Prof. Ulrich Straka von der BOKU Wien. Gerade sein Wissen über ursprüngliche Vorkommen und den schleichenden Rückgang vieler mittlerweile gefährdeter Arten liefert wertvolle Grundlagen und Hinweise für das Management. Seit Beginn der Entbuschung 2019 sind WissenschafterInnen involviert. Sie erheben systematisch die Bestände einiger Zielarten. Hier gibt es viel Grund zur Freude und die Bestätigung, dass man am richtigen Weg ist, denn Küchenschellen haben sich auf den entbuschten Flächen ebenso ausgeweitet wie das Sommer-Brandknabenkraut. Die Raupen des Heckenwollafters, eines geschützten Nachtfalters, wurden heuer erstmals seit Jahren wieder am Weißdorn nachgewiesen. Auch Schnecken und Wildbienen kommen wieder häufiger vor.

 

Bewusstseinsbildung. Erwartungsgemäß stieß die Idee, Gebüsch zu roden anstatt „die Natur in Ruhe gedeihen zu lassen“, zu Projektbeginn nicht nur auf Begeisterung vor Ort. Es folgten gemeinsame Begehungen, Gespräche, Exkursionen für alle BürgerInnen, regelmäßige Naturerlebnis-Aktivitäten für die VolksschülerInnen, Informationen für BesucherInnen, Pressetermine, usw., stets begleitet vom Rückhalt und der tatkräftigen Unterstützung der GemeindevertreterInnen, allen voran der Bürgermeisterin. Mittlerweile ist der Waschberg eine Augenweide und die Gemeinde möchte ihren prächtigen Blumenberg für ihre BürgerInnen und BesucherInnen so bunt und artenreich wie möglich erhalten. Bürgermeisterin Hopf: „Dafür nehmen wir auch Geld in die Hand und arbeiten kräftig mit! Ich bin stolz darauf, dass die Zahl der freiwilligen HelferInnen aus unserer Gemeinde mit jedem Pflegeeinsatz größer wird!“

 

Die Stimmung beim Anpacken ist immer großartig!

Brauche Traktor, biete Mähgut. Höchst erfreulich ist auch die Kooperation mit den örtlichen LandwirtInnen. Bei der Erstpflege im November leisten die Wollmannsberger Bäuerinnen und Bauern mit ihren Traktoren unerlässliche Hilfe beim Entsorgen des Schnittguts und Mulchs. Im Sommer holen ein Rinder- und ein Schafbauer das wertvolle Mähgut zum Verfüttern an ihre Tiere. Auch die Kooperation mit dem Land Niederösterreich läuft bestens. Zum ersten Pflegetag bei der Juni-Mahd machten sich VertreterInnen der Naturschutzabteilung ein Bild vom Fortschritt am Waschberg und zeigten sich beeindruckt von den mittlerweile wunderschönen Halbtrockenrasen. 

Finanzieller Background. Die Initialphase wurde 2019 bis 2021 durch das Leader-Projekt „Naturschutz am Waschberg“ gefördert. Die darauf aufbauenden umfangreichen Pflegemaßnahmen und Begleituntersuchungen sowie die Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung werden bis 2024 im Rahmen der NÖ Schutzgebietsbetreuung vom Land NÖ und der EU finanziert. Projektträgerin ist die Gemeinde Leitzersdorf. Erst kürzlich erfuhr die Gemeinde durch die Verleihung des NÖ Naturschutzpreises gebührende Anerkennung für ihr Engagement.

 

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Mag.a Dr.in Julia Kelemen-Finan, Biologin und Managerin der Pflegeprojekte am Waschberg

www.leitzersdorf.at/Unser_Waschberg/


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