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Zimmer frei!

 

Schon im Biedermeier pilgerte man aus der Hauptstadt in den nahen Wienerwald, ins südliche Gebirge, ins Waldviertel oder in die Wachau, um Ruhe zu finden und Kraft zu tanken. Das Haus der Geschichte in St. Pölten zeigt nun: „Zimmer frei! Urlaub auf dem Land“ eine Zeitreise durch Urlaub und Sommerfrische.

Text: Elke Papouschek

 

Einen dienstvertraglich geregelten Urlaub, wie wir ihn heute kennen, gibt es erst ungefähr seit den 1960ern. Die „Sommerfrische“ als Urlaubsform hingegen ist schon seit Jahrhunderten bekannt. Sie war einst nicht nur einfach ein Urlaub, sondern ein jahreszeitlich veränderter Lebensstil. Als Zeit der Muße, der gemütlichen Bewegung und des sich Hingebens an die Freuden des Lebens entwickelte sie sich zum Statussymbol und brachte eine ganz eigene Kultur mit sich, die sich auch in Architektur, Kleidung, Lebensstil widerspiegelte. Mit dem Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert war es auch nicht mehr nur dem Adel vorbehalten, der Hitze, dem Gestank und dem Lärm der sommerlichen Stadt zu entfliehen und sich aufs Land zurückzuziehen.

 
Sehnsucht nach Sommerfrische: Der berühmte „20 Schilling Blick“ auf das Kalte Rinne-Viadukt, die Pollereswand, die Rax und den Schneeberg. Die Ausstellung „Zimmer frei!“ lädt zur Zeitreise.

Sehnsucht nach Sommerfrische: Der berühmte „20 Schilling Blick“ auf das Kalte Rinne-Viadukt, die Pollereswand, die Rax und den Schneeberg. Die Ausstellung „Zimmer frei!“ lädt zur Zeitreise.

 

Vom Tourismusbeginn ... Viele der bekannten Sommerfrische-Orte Niederösterreichs befanden sich in den Bergen – kühles Klima, saubere Luft und malerische Landschaft luden zur Auszeit von der Großstadt Wien. Wer über das nötige Vermögen verfügte, ließ sich am Fuße der Rax, am Semmering oder rund um den Ötscher eine Sommervilla errichten. Wer sich keinen eigenen Sommersitz leisten konnte, quartierte sich zunächst in Gasthäusern und in Privatquartieren ein, später auch in den neu errichteten großen Hotels. Mit der Eröffnung der Semmeringbahn 1854 und dem Entdecken der Bergwelt als Erholungsraum entwickelte sich der Semmering zum mondänen Höhenkurort. Die Sommerfrische und der beginnende Tourismus waren also eng miteinander verbunden.

 

Prachtvolle Villen, historische Bahnen, Musikpavillons, Parks, Flussbäder und Kulturveranstaltungen halten das Erbe der Sommerfrische in NÖ erstaunlich frisch. 

... zum Massentourismus. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, längeren Urlaubszeiten und einer Verkürzung der Arbeitswoche auf fünf Tage in den 1960er Jahren wurde es für große Teile der Bevölkerung möglich, Urlaub zu machen. Doch zunächst blieb man noch im Inland. Hier mussten dafür neue Kapazitäten geschaffen werden. Ergänzend zum professionellen Hotel- und Gastgewerbe etablierte sich im ländlichen Raum die Privatzimmervermietung. Der erste fahrbare Untersatz, also die Motorisierung vieler Familien, sorgt für einen Entwicklungsschub über die Landesgrenzen hinaus. Die Küsten und Strände Italiens waren damit nicht mehr länger unerreichbares Sehnsuchtsziel. Pizza, Spaghetti und Dolce Vita lockten Individualtouristinnen und -touristen über den Brenner, ehe immer weiter entfernte Ziele entdeckt wurden. So begann die Erfolgsgeschichte des Tourismus, die bis heute mit all ihren fragwürdigen Begleiterscheinungen wie Billigstpreisen und Overtourism fortgeschrieben, aber auch schon in Frage gestellt wird.

 

Reisen bleibt als Form der Erholung und Kontrast zum Alltag populär. Die zurückgelegten Kilometer sind aber oft nicht mehr so auschlaggebend. 

Änderung in Sicht? Nicht nur die Vergangenheit, auch Fragen nach der Zukunft des Sommerurlaubs werden daher in der Sonderausstellung „Zimmer frei! Urlaub auf dem Land“ aufgegriffen: Kann man bereits von einem Trend zu klimaschonendem Nahurlaub sprechen? Und steht uns eine Wiederentdeckung der Sommerfrische bevor? Die Werbung scheint den bis vor kurzem noch altbacken anmutenden Begriff bereits für sich entdeckt zu haben. Die Ausstellung beleuchtet aber auch Urlaub mit seinen Phasen und Ritualen – von Planung und Aufbruch über die Wahl des Transportmittels, den Aufenthalt selbst bis hin zur Speicherung der Erinnerungen in Form von Bildern und Souvenirs. Dabei stellen sich die Fragen, welche Lebensumstände entscheiden, wer auf welche Art Urlaub macht und wer möglicherweise kaum oder gar nicht verreisen kann?

 

Hinterfragen. Die Ausstellung erzählt das Urlauben sowohl aus Sicht der Gäste wie auch der Gastgeberinnen und Gastgeber. Dabei sind auch Konfliktpotenziale ein Thema, etwa unterschiedliche Nutzungsinteressen von Tourismus und Landwirtschaft, der Arbeitsdruck im Gastgewerbe oder der Ausverkauf der Landschaft. Denn auch Niederösterreich hat eine Destination vorzuweisen, die mit dem Phänomen Overtourism kämpft: Es ist die Wachau und dort ganz besonders Dürnstein, wo große Besucherzahlen auf kleinem Raum die Bevölkerung an ihre Belastungsgrenzen bringen. Mit dem Projekt von Emma Agnes Sheffer, einer Künstlerin aus Alaska, trifft die Ausstellung den Puls der Zeit. Sie thematisiert in sozialen Netzwerken gepostete Fotos von touristischen Hotspots, deren Posen und Motive trotz aller Sehnsucht nach Individualität fast immer das Gleiche zeigen. Die Vorarbeiten zur Ausstellung wurden in Kooperation mit dem Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien durchgeführt. Im Rahmen eines Studienprojekts beschäftigten sich acht Studierende mit verschiedenen Aspekten des Urlaubens in Österreich. Die Ergebnisse des Projektes werden auf einer Website präsentiert.

 

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museumnoe.at

projekt-zimmerfrei.univie.ac.at

 


Sommerfrische

Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet, 
mit einem grünen Reis.


Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser.
Weil’s wohltut, weil’s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
und hast eine bei dir, dann spiel,
was dir kommt. 

Und laß deine Melodien lenken, 
von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiß dich. Es soll dein Denken
nicht weiter reichen, als ein Grashüpferhupf.

(Joachim Ringelnatz)

 

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