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 Rückbau für den Klimaschutz

 

Die klimatischen Folgen von ungezügeltem Bodenverbrauch und fortschreitender Versiegelung sind für uns alle spürbar geworden. Einige Gemeinden in Niederösterreich beschreiten allerdings bereits den umgekehrten Weg und wandeln versiegelte Flächen in Grünzonen um.

Text: Elke Papouschek

 

So wie in Gesamtösterreich ist der Flächenverbrauch auch in Niederösterreich hoch. Die negativen ökologischen und ökonomischen Effekte, die dabei entstehen, sind zahlreich – vom Verlust der biologischen Funktionen des Bodens und der Biodiversität bis zu erhöhtem Risiko für Hochwasser und dem Entstehen von Hitzezonen. Lange Trockenphasen gefolgt von Starkregen verstärken die negativen Effekte noch. Der Boden ist in seiner natürlichen Funktion gestört und kann nicht mehr zur Abfederung dieser Effekte beitragen. 

Ein erster Schritt ist die Verhinderung der Versiegelung, ein weiterer die Entsiegelung von Flächen. 

Grün statt Grau in Tulln. Bodenentsiegelung hat vor allem auf das Mikroklima positive Effekte. Auf den „befreiten“ Flächen kann Regenwasser versickern, die Kanalisation wird bei Starkregenereignissen nicht überlastet, die Hitzebildung ist geringer. Eine standortgerechte Bepflanzung bringt Biodiversität ins Spiel, sorgt für Beschattung, und durch erhöhte Staubbindung verbessert sich die Luftqualität. All das ermöglicht auch an heißen Sommertagen eine gute Aufenthaltsqualität auf diesen Flächen. Ein Vorzeigeprojekt dieses Weges ist die Umgestaltung des Nibelungenplatzes im Zentrum der Stadt Tulln an der Donau. Der gesamte Platz rund um das Minoritenkloster wird dabei größtenteils entsiegelt. 

Park statt Parkplatz. Die Bevölkerung der Stadtgemeinde Tulln war von Anfang an in das Projekt einbezogen. Im Dezember 2021 hatten sich die teilnehmenden BürgerInnen in einer Volksbefragung über die Größenordnung der Umgestaltung für die größte zur Wahl stehende Variante entschieden: Die bisher als Parkplatz genutzte Asphaltfläche sollte großflächig entsiegelt, klimafit und zu einem flexibel nutzbaren, grünen Freiraum entwickelt werden. Bereits davor konnten in einem breit angelegten Planungs- und Beteiligungsprozesses über 1.000 Rückmeldungen mit Ideen und Anregungen zur Zukunft des Platzes aus der Bevölkerung gesammelt werden. Aus ihnen entstanden die Zielvorgaben für den auf die Befragung folgenden Gestaltungswettbewerb. 

Großes Interesse am Wettbewerb. 21 Landschaftsarchitekturbüros bewarben sich für die Teilnahme. Daraus wurden von einer Jury fünf österreichische Büros ausgewählt, um Gestaltungsentwürfe für den neuen grünen Platz zu entwickeln. Das Büro DnD Landschaftsarchitektur aus Wien konnte den Wettbewerb letztlich für sich entscheiden. In den folgenden Monaten wurde der Sieger-Entwurf gemeinsam mit der Stadtgemeinde Tulln aufgearbeitet und die Umsetzung detailliert geplant. Anfang 2023 soll mit den Bauarbeiten gestartet und der neu gestaltete Platz im Frühsommer 2024 eröffnet werden.

 
Projekte: Rückbau für den Klimaschutz

Der Nibelungenplatz wird eine attraktive Verbindung. Entstehen soll ein großzügiger Ort des Miteinanders. Den Startschuss bildete ein Workshop mit der Bevölkerung von Lanzenkirchen, bei dem alle ihre Meinung einbringen konnten.

 

Die Transformation des Nibelungenplatzes ist ein Vorzeigeprojekt für eine klimafreundliche und nachhaltige Entwicklung öffentlicher Räume. 

Ein Platz für alle. Der Siegerentwurf ist im Westen durch die Formen des hereinreichenden Auwaldes inspiriert. Den zentralen und verbindenden Bereich bildet der Klostergarten mit einer üppigen Bepflanzung und der passenden Kulisse für dort stattfindende Hochzeiten und Feiern. Holzdecks und andere Sitzgelegenheiten laden hier zum Verweilen ein. Vielseitig bespielbare Flächen ermöglichen den Erhalt notwendiger Parkmöglichkeiten und zugleich die Schaffung attraktiver Aufenthaltszonen, die eine Nutzung durch unterschiedliche Gruppen zulassen. Gleichzeitig erfüllt der Entwurf durch sein klares, unaufdringliches Design hohe optische Ansprüche und betont die repräsentative Funktion des Nibelungenplatzes.

 

Klimaaktive Gestaltung. Durch die Neugestaltung wird der Nibelungenplatz künftig eine Verbesserung des lokalen Mikroklimas bewirken: Für Abkühlung an heißen Tagen sorgen dann neben dem bereits bestehenden Nibelungenbrunnen auch bodengleiche, überfahrbare Wasserelemente. Standortangepasste Bäume unter Einbezug des vorhandenen Baumbestandes werden natürlichen Schatten schaffen. Helle Bodenbeläge aus nachhaltigem Naturstein sollen die Sonneneinstrahlung maximal reflektieren. Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk sieht als Folgewirkung der Umgestaltung viele positive Effekte auf das Leben in Tulln: „Aus städtebaulicher Sicht verbindet der Nibelungenplatz den Hauptplatz mit der Donau. Mit der neuen Gestaltung entsteht hier für die BürgerInnen und Gäste Tullns ein großzügiger Ort des Miteinanders, ein Aufenthaltsort mit hoher Qualität, und nicht zuletzt wird unsere Stadt damit wieder ein Stück klimafitter.“ 

Regenwasser-Management. Zunehmende Versiegelung und vermehrte Starkregenereignisse sorgen für Störung im natürlichen Wasserkreislauf, überlasten Kanalisation und Kläranlagen und verursachen höhere Kosten für überdimensionierte Kanäle. Öffentlicher Grund wie Straßen und Plätze eignen sich bestens, um Maßnahmen zur Versickerung umzusetzen. Grundsätzlich wird unter dem Begriff „Versickerung“ das Einbringen von Niederschlagswasser in den Untergrund verstanden. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beschaffenheit des Grundwassers in chemischer, physikalischer und biologischer Hinsicht nicht negativ beeinträchtigt wird. Die Anreicherung von Inhaltsstoffen aus den Niederschlagsabflüssen darf keine Folgewirkung auf das Grundwasser haben.

 

Klimafitte Parkplätze zeichnen sich durch möglichst wenig Bodenversiegelung, viele Grünflächen und Bäume als Schattenspender aus.

Entsiegelung von Parkplätzen. Klassische, asphaltierte Parkplätze sind ein ökologisches Niemandsland. Der wichtigste Schritt zur Verbesserung der ökologischen Funktionen ist es, versickerungsfähigen Oberflächenbefestigungen den Vorzug zu geben. Dafür eignen sich etwa luft- und wasserdurchlässige Pflastersteine (Porensteine), Pflastersteine mit aufgeweiteten Fugen oder Sickeröffnungen (Rasengittersteine, Lochplatten) und Splitt-Stabilisierungsmatten. Diese Beläge nehmen Niederschläge direkt auf, so dass diese nicht in die Kanalisation abgeleitet werden müssen. Das in den Zwischenräumen zur Verfügung stehende Wasser bietet wiederum diversen Pflanzen eine Lebensgrundlage. Entweder siedeln sie sich mit der Zeit von selbst an, oder es werden Samenmischungen mit heimischen Wildkräutern und -gräsern angesät, die Wärme, Trockenheit und mechanische Belastung durch Befahren oder Betreten vertragen.

Neue Förderungsrichtlinien. Das Projekt „Klimafitte Parkplätze – durch Entsiegelung der sommerlichen Hitze entgegensteuern“, gefördert von der Wohnbauforschung Niederösterreich, hat wesentliche Schritte zur Entsiegelung und Kühlung von KFZ-Abstellflächen aufgezeigt und war Grundlage der Änderung der Wohnbauförderungsrichtlinien. Dabei wurden in Kooperation zwischen der „Natur im Garten“ Service GmbH und der grünplan gmbh konkrete Handlungsempfehlungen für Wohnbauträger, Immobilienentwickler und Hausverwaltungen erarbeitet. Die gemeinnützigen Bauträger haben die Kriterien dieses Projektes bei Wohnhausanlagen umzusetzen, denn künftig sind Parkplätze im Freien nach technischer Möglichkeit ökologisch und klimaschonend zu errichten. 

Hafnerbach. Der Gewinn an Lebensqualität auf den neu angelegten, begrünten Flächen mit einem ökologischen Regenwasser-Management kann oft auch mit Einsparungen für das Gemeindebudget einhergehen. Der Kirchenplatz in Hafnerbach hat bereits eine derartige Umgestaltung erfahren. Bis dahin als asphaltierter Parkplatz genutzt, entstand durch den Umbau ein neuer Gemeinschaftsort. Neben der Parkplatzanlage mit Rasengittersteinen wurden dabei neue Grünanlagen und eine gepflasterte Begegnungszone mit Beleuchtung, Radanlehnbügel und Sitzmöbel gestaltet. All das ersetzt die Regenwasserableitung von ehemals versiegelten Flächen durch eine großflächige Versickerung. 

Lanzenkirchen. „Schon seit vielen Jahren war der Wunsch nach einem belebten Zentrum im Herzen des Ortes statt baufälliger und zum Teil leerstehender Gebäude da“, erzählt Bernhard Karnthaler, Bürgermeister von Lanzenkirchen „aber gut Ding braucht tatsächlich Weile.“ Die Grundvoraussetzung für das Projekt – die benötigten Gebäude durch die Gemeinde zu erwerben – wurde nach und nach umgesetzt. Bereits 2012 gab es einen Ideenwettbewerb zum künftigen Ortszentrum, 2015 wurde ein Wettbewerb für die Neugestaltung ausgelobt. Funktional und einladend sollte es werden und Platz für Veranstaltungen bieten. Das Konzept vom Planungsbüro „3:0 Landschaftsarchitektur“, das den Ortskern belebt, bestehende Strukturen ein- und über eine grüne Achse miteinander verbindet, ging daraus als Siegerprojekt hervor.


Der Hauptplatz von Lanzenkirchen ist belebtes Zentrum und natürliche Klimaanlage im Herzen des Ortes.

Prinzip Schwammstadt. Bevor es umgesetzt werden konnte, galt es noch eine Reihe bürokratischer Hürden zu nehmen. In der Zwischenzeit war die Klimakrise verstärkt ins Bewusstsein aller gerückt und sowohl die Gemeinde als auch die PlanerInnen wollten darauf reagieren. Mehr entsiegelte Flächen sowie Bäume gegen die Überhitzung wurden eingeplant und letztere nach dem Schwammstadtprinzip gepflanzt. Dabei wird unterhalb der befestigten Oberflächen im Straßenraum eine Schicht aus grobkörnigem Schotter sowie feineren, wasserspeichernden Materialien angelegt. Die Bäume stehen wie üblich in ihren Baumscheiben, haben aber direkten Kontakt zu den Schotter-Schichten und können diese durchwurzeln. Versiegelte und verdichtete Böden werden dadurch durchlässig gestaltet. Das Schwammstadtprinzip hilft somit bei Starkregen, Hitze und Trockenperioden. Regenwasser wird im Kreislauf sinnvoll genutzt und das Kanalsystem entlastet. Stattliche Bäume, in Lanzenkirchen sind es klimafitte Ulmen und Silberlinden, die in der Region bereits seit vielen Jahrzehnten gut gedeihen, sind die wirksamste Klimaanlage für den öffentlichen Raum und erhöhen die Aufenthaltsqualität aber auch die Biodiversität. Durch den vergrößerten Wurzelraum können sich die Bäume besser entwickeln, werden größer, älter und bleiben vitaler. 

Der Plan geht auf. Die Mühen haben sich ausgezahlt, die Ausdauer wurde belohnt. Heute begegnet Bürgermeister Karnthaler seinen BürgerInnen in einem belebten Ortskern, in dem man sich sichtlich wohlfühlt. Die Bäckerei mit Café ist ein beliebter Treffpunkt, auch die örtliche Bankfiliale und andere Geschäfte sind mit ihrem neuen Standort höchst zufrieden. Der regelmäßig stattfindende Genussmarkt wird gut angenommen, der Platz hat sich zu einem attraktiven Ort für Veranstaltungen entwickelt. Dabei erhalten die LanzenkirchnerInnen immer wieder interessierten Besuch: Städte- und LandschaftsplanerInnen, ArchitektInnen und GemeindeentwicklerInnen kommen hierher, um sich vom zukunftsfitten Hauptplatz ein Bild zu machen. 

Gemeinden als Vorreiter. Der fortschreitende Klimawandel ist zweifellos die größte Herausforderung unserer Zeit. Eine klimagerechte Gestaltung von Grünräumen kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Auswirkungen erträglicher zu machen. Niederösterreichs Gemeinden können und sollen als Bewusstseinsbildner und Multiplikatoren für dieses Thema auftreten und mit gutem Vorbild für die Bevölkerung vorangehen.



 

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tulln.at/nibelungenplatz

3zu0.com

naturimgarten.at


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Blau-gelber Bodenbonus

Das Land Niederösterreich fördert Entsiegelungsmaßnahmen mit dem blau-gelben Bodenbonus. Ziel ist, dem Flächenverbrauch in Niederösterreich entgegenzuwirken und bereits versiegelte Flächen innerorts wie außerorts durch die Förderung von Entsiegelungsmaßnahmen zurückzugewinnen und eine naturnähere und klimafitte Gestaltung der entsiegelten Flächen anzuregen. Zu diesem Zweck wird auch die Anwendung des Schwammstadtprinzips gefördert. 

Weitere Infos: umweltgemeinde.at/bodenbonus 


Sonderförderung „Klimagrüne Orts- & Begegnungszentren in NÖ Gemeinden“ 

Gefördert wird die Neugestaltung von öffentlichen Grünräumen, Plätzen oder Straßenzügen mit standort- und klimawandelangepassten Pflanzen, die sowohl die pflanzliche als auch tierische Vielfalt erhöhen und das Mikroklima positiv beeinflussen. Gleichzeitig werden Maßnahmen unterstützt, die sowohl Starkregenereignisse als auch Trockenphasen abfedern können. 

Weitere Infos: noe.gv.at

 

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