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Der Klimawandel geht durch die Hecke 

 

Um zu erfahren, wie sich das Klima vor der eigenen Haustüre verändert, muss man keine teuren Messgeräte kaufen. Das funktioniert wunderbar einfach mit Hilfe von heimischen Sträuchern und Bäumen, der sogenannten Klimahecke.  

Text: Klaus Wanninger

 

Die Klimaveränderungen hat es auf unserem Planeten schon immer gegeben. Der derzeitige Temperaturanstieg ist aber rasant und nicht nur seit der Industrialisierung, sondern auch in der jüngeren Menschheitsgeschichte einmalig. Weil die aktuelle Klimaentwicklung aber durch den Menschen versursacht ist, haben wir auch die Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen oder vielleicht sogar wieder gutzumachen. Dafür braucht es starke Maßnahmen zur Reduzierung und Bindung von Treibhausgasen, wie zum Beispiel CO2 und Methan und persönliche Anstrengungen von uns allen. 

Früher war alles später. Dass auch in Zeiten des Klimawandels die Jahre in der Regel 365 Tage lang sind, wird so bleiben. Für Pflanzen und Tiere, die nicht nach unserem Datumskalender getaktet sind, werden die Jahre aber wirklich länger. Durch die steigende Erwärmung beginnt der Frühling im Durchschnitt früher und der Herbst geht später. Logischerweise bleibt dann für den Winter weniger Platz und unsere kälteste Jahreszeit wird zunehmend kürzer. Dadurch hat sich die Wachstumsperiode von Pflanzen seit Beginn der Aufzeichnungen im 18. Jahrhundert bereits um etwa zwei Wochen ausgedehnt. Dabei wird es aber nicht bleiben. Wenn wir so weiter machen wie bisher, könnte sich die Wachstumsperiode bis 2065 sogar um bis zu eineinhalb Monate ausdehnen. Wie sich die Natur unserer niederösterreichischen Regionen in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, ist aus heutiger Sicht noch nicht mit Sicherheit zu sagen. Zum Glück gibt es da die gute alte Phänologie. Als „Kunde von den Naturerscheinungen“ hilft sie uns zu erkennen, wie der Klimawandel vor unserer Haustüre ankommt. 

 
Die zehn Jahreszeiten der Natur und ihre Zeigerpflanzen: Der Klimawandel zeichnet sich bereits ab. So gibt es sieben Tage weniger Vollfrühling.

Die zehn Jahreszeiten der Natur und ihre Zeigerpflanzen: Der Klimawandel zeichnet sich bereits ab. So gibt es sieben Tage weniger Vollfrühling.

 

Fast alle Naturerscheinungen tragen eine Kalender-Komponente in sich und geben uns Kunde vom Einzug der natürlichen Jahreszeiten.

Der phänomenale Rhythmus der Natur. Im Gegensatz zum gebräuchlichen Datums-Kalender ist der „Kalender, den die Natur schreibt“, von Jahr zu Jahr und von Gegend zu Gegend unterschiedlich. Das Naturjahr verläuft dabei alles andere als chaotisch. Mit konsequenter Regelmäßigkeit folgen Ereignisse auf Ereignisse. Die Blüte des Haselstrauches kann sich von Jahr zu Jahr schon einmal um mehr als ein Monat verzögern, aber dann sind auch die anderen zeitig blühenden Pflanzen später dran und selbst die viel spätere Obstbaumblüte ist noch zeitlich versetzt.

 

Die Zehn Jahreszeiten der Natur. Wenn man nun z. B. auf den Blühbeginn von bestimmten Pflanzenarten achtet, kann man den Frühling in einen Vorfrühling, einen Erstfrühling und einen Vollfrühling untergliedern. Das wird dem Rhythmus der Natur schon wesentlich gerechter. Natürlich haben auch Sommer und Herbst ihre Feineinteilung und schon sind es: Zehn Jahreszeiten! Besonders gut für diese Beobachtungen geeignet sind Baum- und Straucharten. Sie laufen oder fliegen nicht davon, zeigen klare Entwicklungsphasen vom Knospenaufbruch bis zum Blattfall und können als Messinstrumente von Klimaveränderungen wichtige Dienste leisten. Gegenüber einem Thermometer oder einer Wetterstation haben unsere Gehölze nämlich den Vorteil, dass sie eine Vielzahl an Umweltfaktoren wie Temperatur, Wasserversorgung und viele weitere am Standort integrieren und mit früherer oder späterer Blüte anzeigen, welche Auswirkungen der jährliche Witterungsverlauf auf die Naturentwicklung hat. 

Klima-Hecke als lebendiges Messgerät. Der Verein Regionale Gehölzvermehrung (RGV) hat eine Klima-Hecke zusammengestellt, die sich aus zehn heimischen Gehölzarten zusammensetzt. Die regionale Herkunft der Pflanzen ist dabei besonders wichtig, um eine regionstypische Naturentwicklung für die eigenen Klimabeobachtungen zu erhalten. Sobald die Klima-Hecke angewachsen ist und zu blühen beginnt, funktioniert sie nämlich als äußerst empfindliches Messinstrument der bodennahen Atmosphäre und zeigt mit ihren Zeitpunkten der Blüte oder Fruchtreife Jahr für Jahr an, wie sich der Klimawandel vor der Haustüre auswirkt und wann die zehn natürlichen Jahreszeiten ins Land ziehen.  

Mit der Klima-Hecke wird der eigene Garten zu einer Forschungsstation für die Klima- und Naturentwicklung. 

Noch mehr Nutzen. Neben dieser Funktion bietet die Hecke reiche Nektar- und Pollennahrung für unsere Bestäuberinsekten und sorgt für mehr Bestäubungserfolg und somit Ertrag bei Obst und Gemüse. Sie bringt schmackhafte Dirndl-, Holler- oder Schlehenfrüchte und zaubert mit Rotem Hartriegel oder Gewöhnlichem Spindelstrauch prächtige Herbstfärbung in den Garten. Der Faulbaum bietet mit seinem Laub den Raupen des Zitronenfalters Nahrung. Und die erste Sichtung dieses Falters ist ein Zeiger für den Beginn des Vorfrühlings, der ersten der zehn natürlichen Jahreszeiten. Mit dem Beginn der Schlehenblüte ist später der Erstfrühling da. Und im Vollfrühling, wenn im Obstgarten die Apfelblüte begonnen hat, zeigt die Purpur-Weide die ersten reifen Früchte. Fertig zusammengestellte Klima-Heckenpakete kann man ab Sommer 2024 im Webshop des Vereines Regionale Gehölzvermehrung unter www.heckentag.at bestellen und beim Heckentag im Herbst an einem der Ausgabestandorte selbst abholen, oder sich zusenden lassen. 

 

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heckentag.at

regionale-gehoelze.at

naturkalender.at

 

Jede/r ist Natur- und Klimaforscher

Die Initiative www.naturkalender.at wurde vom Büro LACON – Landschaftsplanung & Consulting, der GeoSphere Austria und unter Mitwirkung der Regionalen Gehölzvermehrung (RGV) ins Leben gerufen. Mit der Naturkalender-App, kostenlos zu finden im Android oder Apple App Store, kann man typische Tier- und Pflanzenarten fotografieren und eintragen, in welcher Entwicklungsphase sie sich gerade befinden. Jede Beobachtung und jedes Foto, das mit der App geteilt wird, liefert dabei einen wertvollen Beitrag für die Natur- und Klimaforschung in Österreich und der ganzen Welt. Denn die Beobachtungen fließen in die europäische phänologische Datenbank (PEP 725) ein, die von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik betreut wird.

 

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